Jubiläumssymposium für Franz Moggi zu «Sucht, Komorbidität und Behandlung»

Das Jubiläumssymposium vom 28. April 2023 im Festsaal der UPD war Prof. Dr. phil. Franz Moggi gewidmet, der mit wenigen Unterbrüchen seit über dreissig Jahren in der Berner Universitätsklinik für Psychiatrie arbeitet. Als Psychologiepraktikant hatte er begonnen, assoziierter Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Bern mit Managementweiterbildung (Executive MBA) und Chefpsychologe für den Klinisch Psychologischen Dienst der PP mit inzwischen über 60 Mitarbeitenden ist er heute.

Prof. Dr. phil. Franz Moggi arbeitet mit Patient*innen, gibt Supervisionen, unterrichtet Psychotherapie, macht Lehre und beforscht Komorbidität («Begleiterkrankung» meint gleichzeitiges Auftreten von zwei oder mehreren psychischen Störungen) mit Schwerpunkt ADHS und Substanzkonsumstörungen. Er hat über hundert wissenschaftliche Arbeiten sowie mehrere Bücher publiziert, Drittmittel eingeworben und erfolgreich das Netzwerk Suchtpsychiatrie im Kanton Bern aufgebaut, das regelmässig eine Broschüre zu allen medizinisch geleiteten Angeboten in der Suchtbehandlung im deutschsprachigen Teil des Kantons herausgibt.

Über 180 Teilnehmende verfolgen mit grossem Interesse die Vorträge der sieben ausgewiesenen Fachleute zu den Themen. Alle Vorträge können heruntergeladen werden. Ebenfalls findet man dort den Originalflyer zur Veranstaltung.

Komorbidität
Nach der Einleitung und Würdigung von Prof. Dr. phil. Franz Moggi durch Prof. Dr. med. Werner Strik, der seit 1998 in der UPD als Ordinarius für Psychiatrie und Psychotherapie dessen Vorgesetzter ist, hielt der Jubilar selbst einen Vortrag über Ursachen und Behandlung von Alkoholkonsumstörungen. Seine Schlussfolgerungen nach 30 Jahren Forschung zu Konsumstörungen und Komorbidität lautete: Heute gebe es deutlich wirksamere Behandlungen von Patient*innen mit Alkoholkonsumstörungen, die Behandlungen bei psychischen Komorbiditäten sei besser geworden und einige Fortschritte in der personalisierten Medizin seien erkennbar. Für die Zukunft sieht er Therapieansätze, die gezielt die persönlichen Störungsursachen einbeziehen und noch erfolgreicher werden können, wenn sie stärker auf das Individuum zugeschnitten sein werden.

Prof. Dr. med. Ulrich W. Preuss aus Ludwigsburg, der mehrfach mit Prof. Dr. phil. Moggi zusammengearbeitet und publiziert hat, sprach über Komorbidität von affektiven Erkrankungen (Depression, Bipolare Störung) mit Alkoholkonsumstörungen. Er führte aus, dass teils gemeinsame genetische Voraussetzungen bestünden und dass beide Krankheiten gleichzeitig zu behandeln seien, wobei diejenige Erkrankung, die zuerst aufgetreten war, den Verlauf meistens präge. Wichtige Behandlungskomponenten integrativer Behandlungen von Patient*innen mit «Doppeldiagnose», wie «Komorbidität» früher auch genannt wurde, zeigte er anhand eines Ausschnitts aus einer gemeinsamen Publikation mit Prof. Dr. phil. Moggi von 2019.

Auch mit Prof. Wim van den Brink, emeritierter Psychiatrieprofessor aus Amsterdam, hat Prof. Dr. phil. Moggi zahlreiche gemeinsame Artikel zu ADHS und Substanzkonsumstörungen publiziert, worüber Prof. van den Brink in englischer Sprache referierte. Wie bei den affektiven Störungen gibt es auch bei ADHS und Suchterkrankungen gemeinsame genetische Grundlagen. Frühe Behandlung von ADHS durch Stimulanzien (wie z.B. Methylphenidat) verringere die Wahrscheinlichkeit, später eine Suchterkrankung zu entwickeln.

Erfolgreiche Forschung
Die nächsten beiden Referentinnen haben mehrfach mit Prof. Dr. phil. Moggi geforscht und publiziert. Beide arbeiten unter anderem in der Forschungsabteilung der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. PD Dr. phil. Maria Stein sprach über neurowissenschaftliche Suchtmodelle, insbesondere zu Inhibition und Sucht. Sie stellte ein computerisiertes Trainingsprogramm zur Verbesserung von Inhibition vor, wobei Menschen mit Alkoholkonsumstörungen «unbewusst» lernen, auf Bilder mit Alkohol automatisiertes Verhalten zu hemmen. Konkret zeigt man Bilder von unterschiedlichen Gegenständen wie alkoholische und nicht alkoholische Getränke oder Gegenständen. Die Aufgabe besteht darin, bei neutralen Bildern so rasch als möglich einen Knopf zu drücken, bei Bildern mit Alkohol nicht zu drücken, wobei sich die Instruktion an die Patient*innen nicht auf den Inhalt der Bilder, sondern auf Buchstaben bezieht (z.B. beim Buchstaben P, nicht drücken, bei Buchstaben F, drücken). In einer randomisiert kontrollierten und doppelblinden Multizenterstudie konnte die Forschungsgruppe zeigen, dass diese Methode den Patient*innen hilft, drei Monate nach einer stationären Behandlung zu Alkoholabhängigkeit die Anzahl abstinenter Tage deutlich zu erhöhen.

Prof. Dr. phil. Leila Soravia behandelte das Thema Trauma und Alkoholabhängigkeit. Widrige Kindheitserfahrungen (Adverse Childhood Experiences (ACE) wie Misshandlung, Vernachlässigung und dysfunktionale Familienstrukturen können das Risiko für spätere Suchterkrankungen stark erhöhen. Alkoholabhängigkeit ist beispielsweise 7.4-fach wahrscheinlicher bei Menschen mit als ohne solche traumatisierenden Erfahrungen. Im Update Newsletter vom Dezember 2022/Januar 2023 wurde schon über negative Folgen solcher ACE (Kindheitstraumatisierungen – vergesst die Kinder nicht) berichtet. Frau Soravia zeigte, dass sich Erwachsene mit ACE und Alkoholabhängigkeit von Patient*innen ohne ACE von einander nicht hirnphysiologisch, sondern auch strukturell unterscheiden, was Konsequenzen für die Behandlung haben dürfte.

Motivierende Kommunikation
Den Abschluss des Symposiums machten PD Dr. Ralf Demmel und Monika Brändli, die zusammen mit Prof. Dr. phil. Franz Moggi seit elf Jahren einen Zertifikatslehrgang in «Motivational Interviewing» in den UPD unterrichten, der für alle Berufsgruppen offensteht. Ursprünglich als Methode für die Suchttherapie entwickelt und eingesetzt, werden inzwischen auch Führungskräfte im Gesundheitswesen und in der Wirtschaft darin geschult. Dafür haben Franz Moggi und Monika Brändli eine eigene Firma gegründet (www.mokom.ch). Motivierende Kommunikation ist das Herzstück erfolgreicher Führung, steht auf ihrer Website.

Text: Lic. phil. Daniela Krneta, Kommunikation PP