ASAP - ein Kooperationsprojekt zwischen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und dem Zentrum für Psychiatrische Rehabilitation

Anfang August startete das neue Schul- und Ausbildungsjahr, was für viele junge Menschen mit einer neuen, noch ungewohnten Herausforderung einhergeht. Bei der Betrachtung kantonaler Zahlen wird ersichtlich, dass sowohl Schulabsentismus wie auch Ausbildungsabbrüche eine grosse Problematik darstellen. So wird ein Fünftel aller Ausbildungen im Kanton Bern abgebrochen. Mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen frühzeitig und gezielt zu unterstützen, wurde das Kooperationsprojekt ASAP lanciert.

Das Ambulatorium für Schul- und Ausbildungsprobleme (ASAP) entstand als Kooperationsprojekt zwischen der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJP), dem Zentrum für Psychiatrische Rehabilitation (ZPR), der IV-Stelle Kanton Bern (Invalidenversicherungen) und der Bildungs- und Kulturdirektion (BKD). Als Behandlungsangebot stellt dieses eine neue Abteilung in der Poliklinik der KJP Bern dar. Das ASAP setzt sich zum Ziel, jungen Menschen im Alter zwischen 5 und 17 Jahren mit psychischen Problemen und einem drohenden oder begonnenen Einbruch des schulischen oder ausbildungsbezogenen Funktionsniveaus Unterstützung zu bieten.

Nach einem durch die UPD-Stiftung finanzierten Projektstart im August 2021 sowie einer ersten Pilotphase folgten im Frühjahr 2023 der Aufbau des Behandlungsteams sowie der Übergang in den Regelbetrieb. In den ersten Sommermonaten, noch vor Start des neuen Schul- und Ausbildungsjahres, waren bereits über 20 Patient*innen beim ASAP in Behandlung. Das interdisziplinäre Behandlungsteam besteht aus einer Oberpsychologin, zwei Assistenzpsycholog*innen, zwei Schulcoaches sowie einem Ausbildungscoach. Besonders erfreulich ist dabei, dass die Fachpersonen aus der KJP und dem ZPR stammen und dadurch eine direktionsübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht wird.

Team Foto
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Bildlegende 1 (von links nach rechts): Benjamin Matter, Schulcoach, Tara Poyau, Schulcoach & Standortschulleitung, Shingo Rohr (sitzend), Assistenzpsychologe II, Goran Vukelic, Ausbildungscoach, Leonie Kanzler, Assistenzpsychologin II, Jana Bryjova, Oberpsychologin

Das Behandlungskonzept von ASAP sieht neben einer fundierten Ein- und Austrittsdiagnostik mit integriertem Schul-/ Ausbildungsassessment eine modulare und zeitlich begrenzte Behandlung vor, welche nach Abschluss der Hauptbehandlung in grösseren Abständen Auffrischungssitzungen beinhaltet, um den Transfer in den Alltag längerfristig und nachhaltig zu gewährleisten. In der Behandlung wird dabei die positive Wechselwirkung von Psychotherapie und Coaching genutzt, um frühzeitig und gezielt zu intervenieren und Schulabsentismus oder Ausbildungsabbrüche zu verhindern. Erste Behandlungen wurden bereits mit erfolgreichem Verlauf abgeschlossen.

Ein Beispiel ist eine 17-jährige Patientin, deren Ausbildungsabschluss infolge einer depressiven Episode und damit einhergehenden Problemen in der Berufsschule und im Ausbildungsbetrieb gefährdet war. Durch die therapeutische Begleitung sowie gezieltes Ausbildungscoaching, finanziert durch die Frühinterventionsmassnahmen (FI) der IV-Stelle Kanton Bern gelang es, die Belastungsfaktoren zu reduzieren. Dazu gehörten einerseits der enge Austausch mit dem Ausbildungsbetrieb und andererseits das Erarbeiten von Unterstützungsmassnahmen und Lernstrategien hinsichtlich der Abschlussprüfungen. Durch das ASAP gelang es der 17-jährigen Patientin die psychischen Belastungsfaktoren zu reduzieren und die Ausbildung erfolgreich abzuschliessen.

Ein weiteres Beispiel ist ein 13-jähriger Patient mit generalisierter Angststörung bei vordergründig somatischen Schmerzen, welcher aufgrund dieser seit mehreren Monaten die Schule nicht mehr besuchen konnte. Der Schulcoach veranlasste nach sorgfältiger Prüfung der Wiedereinstiegsoptionen und des Lernstands einen Schulwechsel und begleitete diesen. Psychotherapeutisch wurde gleichzeitig die Angstsymptomatik behandelt. In Zusammenarbeit mit dem Patienten, der Eltern, der Schule (Klassenlehrperson, Schulleitung, Schulsozialarbeiter) und der Erziehungsberatung ist ein Wiedereinstieg gelungen und die Symptomatik wurde im Verlauf rückläufig. Es wurden schulische Fördermassnahmen installiert und die psychotherapeutische Behandlung konnte ausgeschlichen werden. Durch diese Intervention gelang es, für alle Involvierten gemeinsam eine nachhaltige Erfolgsstory zu schreiben: Die Therapie und das Schulcoaching befähigten den Patienten zu neuen Erfahrungen und Erfolgserlebnissen, die seine Selbstwirksamkeitserwartung steigerten. Die Freude am Lernen kam zurück und auch das Interesse, sich in einer Schulklasse sozial zu integrieren. Dadurch wurde die Angst vor der Schule und vor anderen Herausforderungen geringer, was den Erlebnis- und Entwicklungsspielraum positiv beeinflusste.

Als nächste Meilensteine bis zum Jahresende ist nebst dem Ausbau der Behandlungsplätze auch die Vorbereitung und Implementierung der Evaluationsstudie geplant. Ab Anfang 2024 soll die Wirksamkeit vom ASAP systematisch erforscht werden. Durch die Unterstützung der Stiftung UPD, der Direktionen KJP und ZPR sowie dem grossen Engagement aller beteiligten Mitarbeitenden wurde es möglich, mit dem ASAP durchzustarten und ein neues Behandlungsangebot zu etablieren, welches einen niederschwelligen und frühzeitigen Zugang zum psychiatrischen Gesundheitssystem ermöglicht. Dabei unterstützt das ASAP Kinder und Jugendliche wirksam und ermöglicht, wichtige Entwicklungsschritte in der Schule oder Ausbildung zu gestalten und erfolgreich zu bewältigen.

Team Foto
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Bildlegende 2 (von links nach rechts): Goran Vukelic, Ausbildungscoach, Andrea Wyssen, Chefpsychologin KJP, Tara Poyau, Schulcoach & Standortschulleitung, Rahel Bucher, Schulleitung Klinikschule KJP, Benjamin Matter, Schulcoach, Jana Bryjova, Oberpsychologin, Shingo Rohr, Assistenzpsychologe II, Simeon Zürcher, wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung ZPR, Leonie Kanzler, Assistenzpsychologin II, Michael Burkhalter, Leiter firstep & Bereich Jugend ZPR